Samstag, 24. Juli 2010

Ungarn beschließt Bankensteuer: IWF bekommt den Stuhl vor die Tür gesetzt

Von Daniel Neun | 22.Juli 2010 Radio Utopie

Budapest: Am Abend hat das Parlament der Republik Ungarn mit 301 zu 12 Stimmen eine Steuer auf Kapitalgesellschaften wie Banken, Versicherungen und Leasingfirmen beschlossen (1). Die Bankensteuer erhebt 0.5 Prozent Abgabe auf alle Ende 2009 vermeldeten Aktiva der Konzerne. Ein Novum, weltweit.

Am Wochenende hatten Internationaler Währungsfond (IWF) und “Europäische Union” (EU) noch versucht, Ungarn zur Rücknahme der geplanten Bankensteuer zu erpressen, die Verhandlungen abgebrochen und ausstehende Gelder eines in 2008 gegen Staatsabbaumaßnahmen versprochenen “Hilfspakets” in Höhe von 25.1 Milliarden Dollar auf Eis gelegt. Am Montag früh nach Handelsbeginn an den Geldmärkten in Europa war der ungarische Aktienmarkt zur Eröffnung gleich um 4,3 Prozent abgestürzt. Auch die ungarische Währung Forint verlor drei Prozent, ungarische Staatsanleihen wurden abgestoßen. Am Montag Abend dann lenkte die ungarische Regierung teilweise ein: die Bankensteuer werde ab 2011 wieder in Frage gestellt, so Wirtschaftsminister György Matolcsy. (IWF, EU und Banken erpressen Ungarn: Bankensteuer wieder in Frage gestellt, 19.Juni)

Am gestrigen Mittwoch dann hatte Premierminister Viktor Orban (Fidesz) Deutschland besucht. Dabei betonte er gegenüber der Presse, er sehe “keinen Sinn” mehr in Gesprächen mit dem IWF (2):

“Ungarn und der Internationale Währungsfond haben einen Deal, der im Oktober ausläuft. Also macht es keinen Sinn langfristige Fragen mit dem IWF zu verhandeln.”

Im Laufe des Donnerstags war der IWF dann eingeknickt: man könne “jederzeit” die Gespräche mit Ungarn wieder aufnehmen, hiess es in Washington (3). Es nützte nichts mehr. Bereits vor der Abstimmung hatte Premierminister Orban angekündigt, die “ökonomische Souveränität” Ungarns wieder herzustellen. (Bankensteuer: Ungarn will “ökonomische Souveränität wiederherstellen”)

Ungarns Premier hatte bereits am Mittwoch in Berlin angekündigt, statt mit dem IWF nun nur noch mit der EU verhandeln zu wollen. Neben Kanzlerin Angela Merkel hatte sich Orban auch mit der berüchtigten “Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik” getroffen (4). Die DGAP, die in den Kriegsjahren seit 2001 zum wichtigsten aussenpolitischen Beratergremium der deutschen Bundesregierung aufgestieg, hatte im Januar dieses Jahres erklärt, die Berliner Republik nehme weltweit viel zu sehr Rücksicht auf moralische und innenpolitische Belange und gelte deshalb als “Nation in selbstgelegten Fesseln”. Die DGAP fordere daher eine “Nationale Sicherheitsstrategie”, als auch einen “Nationalen Sicherheitsrat” (5).

Es ist durchaus anzunehmen, dass diese Gremien und ihre imperialen Pläne bald dorthin fliegen, wo sie hingehören: auf den Müllhaufen der Geschichte.

Ungarn dagegen ist zu wünschen, dass es in der Tat seine Souveränität wieder herstellt und nicht Washington einfach mit Berlin bzw. Brüssel ersetzt.

Quellen:
(1) http://www.nytimes.com/2010/07/23/business/global/23forint.html
(2) http://www.novinite.com/view_news.php?id=118370
(3) http://www.reuters.com/article/idUSNLLMIE6A120100722
(4) http://www.euractiv.de/zukunft-und-reformen/artikel/orban-wenn-der-elefant-tanzen-will-003412
(5) http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/57709

Montag, 19. Juli 2010

IWF, EU und Banken erpressen Ungarn: Bankensteuer wieder in Frage gestellt

Von Daniel Neun | 19.Juli 2010 Radio Utopie

Ablauf in zeitlicher Reihenfolge.

Ende 2008 verabredet die *räusper* sozialistische Regierung Ungarns mit “Internationalem Währungsfonds” (IWF) und “Europäischer Union” einen allgemeinen Staatsabbau, um die Neuverschuldung (“Staatsdefizit”) des Staates Ungarn im Jahre 2010 auf 3.8 Prozent und in 2011 auf unter 3 Prozent zu senken (offizielles Kriterium für den Beitritt zur Eurozone). Dafür werden Ungarn von EU und IWF 25,1 Milliarden Dollar versprochen, die in mehreren Raten ausbezahlt werden sollen.

April 2010: die Ungarn haben die Schnauze voll vom Raub ihres gesellschaftlichen Guthabens und der Zerstörung ihres ganzen Staates und schmeissen die “Sozialisten” in höchstmöglichem Bogen raus. Die rechtskonservative Fidesz-Partei bekommt im zweiten Wahlgang die Zwei-Drittel-Mehrheit. Viele im ewigen Westen führen das auf die dumpfen xenophibischen Parolen zurück, mit denen auch die Fidesz wirbt und sehen dabei nur den kleinen Teil des Problems.

An die Regierung kommt also Viktor Orban (Fidesz).

Diesen Montag: die Orban-Regierung landet in Budapest einen Coup (leider keinen Überraschungscoup, dazu gleich mehr). Sie legt den Abgeordneten des Parlamentes den Gesetzentwurf einer Bankensteuer vor, die bereits diesen Montag (22.Juli) beschlossen werden soll. Einigermaßen geschickte Begründung der Fidesz-Regierung: man brauche Geld, um den mit IWF und EU beschlossenen Abbau der Neuverschuldung bei den Banken zu finanzieren. EU und IWF sind natürlich sauer, weil dort keine Sau den Abbau von Schulden, sondern ausschliesslich der Abbau des Staates durch sogenannte “Sparprogramme” interessieren, zu denen man vorher alle anderen europäischen Staaten wie Griechenland, Italien, Spanien, Portugal, usw, erpresst hatte.

Besonders die Wiener Schlawiner unter der Bankenmafia fürchten nun um ihre Profite. Man hatte so schön in Ungarn profitiert. Was für ein Schmäh. (1)

Am Wochenende zuvor war etwas recht Ungewöhnliches passiert: der Internationale Währungsfonds (IWF) und die neue kapitalistische Sowjetunion “Europäische Union” brechen die “Gespräche” mit Ungarn ab. Erklärung: man glaube einfach nicht, dass die Regierung ihre Neuverschuldung auf 3.8 Prozent drücken werden, sondern man gehe jetzt – neuerdings, ganz plötzlich – davon aus, dass es in 2010 4.1 Prozent Staatsdefizit geben werde (2). Man verlange jetzt noch schärfere Maßnahmen zum Staatsabbau. Die zuvor der Vorgängerregierung für Folgsamkeit versprochenen 25,1 Milliarden Dollar würden nun gesperrt.

Alles deutet auf einen weiteren Beweis für die Formel “Wissen ist Macht, Vorabinformationen noch besser”. In entsprechenden Artikeln der Informationsindustrie wird natürlich der wahre Hintergrund verschwiegen und irgendein Mist erzählt.

Nach Öffnung der Geldmärkte am Montag verliert die ungarische Währung Forint gegenüber dem Dollar 2,7 Prozent an Wert. Der ungarische Aktienmarkt verliert zur Eröffnung 4,3 Prozent. Banken und Spekulanten verkaufen massiv Staatsanleihen Ungarns, deren Rückzahlungszinsen nun um mehr als 20 Basispunkte explodieren. Die Commerzbank lässt erklären (3):

“Offensichtlich ist der IWF mit der Politik von Ministerpräsident Viktor Orban unzufrieden”.

“Analysten” wiederum erklären, dass “Investoren” befürchten würden,

“dass Ungarn ohne weitere Unterstützung durch IWF und EU nicht zahlungsfähig bleibe”.

Weiterer Hintergrund ist die Forderung der ungarischen Regierung an die eigene Zentralbank, endlich die Zinsen zu senken um die eigene (Binnen)Wirtschaft zu entlasten. Doch die Zentralbank weigert sich und liess am Monat den Leitzins bei (vergleichsweise astronomischen) 5.25 Prozent. Pädagogisch wertvoll erklärte dazu die österreichische “Krone” (4):

“Auch wenn Ungarn derzeit nicht unbedingt auf frisches Geld angewiesen sei, dürften dennoch die Refinanzierungskosten steigen. Das könnte nach Einschätzung von Analysten Zinserhöhungen notwendig machen und das Rating des Landes unter Druck bringen.”

Wie reagierte nun die rechte ungarische Regierung auf die Erpressung von IWF, EU, Banken und Informationsindustrie? Nun, sie reagierte wie eine linke Regierung. Sie unterwarf sich. Fast wie im Westen.

“Nach einem Warnschuss durch die EU-Kommission und den Internationalen Währungsfonds”, so die “Wiener Zeitung” (5) vielsagend, habe Ungarns Finanz- und Wirtschaftsminister György Matolcsy am Montag Abend der Informationsindustrie mitgeteilt, dass Ungarn ab 2011 über die Inkraftsetzung der Bankensteuer noch einmal mit sich diskutieren ließe.

Vielleicht sollten die Völker der Welt, die ab und zu auch hier in Berlin reinschauen, sich einmal vorstellen, wie irgendein Banker, irgendein transnationaler IWF-Funktionär, irgendeine (Berliner) Butterbirne in den EU-Räten, oder irgendein Kommissar in Brüssel 1956 mal “Ich werde nie wieder versuchen ein Volk und sein Land zu verarschen” an irgendeine Wand malen muss.

Das wäre ein Anfang.

Quellen:
(1) http://www.salzburg.com/online/nachrichten/wirtschaft/Ungarn-will-Bankensteuer-einfuehren.html?article=eGMmOI8VdSon3U0L6cvfd58svdNkbuALIDQT9S9&img=&text=&mode=
(2) http://www.ftd.de/finanzen/maerkte/anleihen-devisen/:schuldenkrise-angst-um-ungarn-pleite-drueckt-forint-auf-14-monats-tief/50146016.html
(3) http://www.focus.de/finanzen/finanz-news/ungarn-unterbrochene-kreditgespraeche-mit-iwf-und-eu-belasten-markt_aid_531937.html
(4) http://www.krone.at/Nachrichten/EU_sperrt_Ungarn_nach_Streit_Zugang_zu_frischem_Geld-Forint_unter_Druck-Story-210871
(5)
http://www.wienerzeitung.at/default.aspx?tabID=3861&alias=wzo&cob=508120

Sonntag, 11. Juli 2010

IWF- geschäftsführender Direktor Strauss-Kahn vor rumänischem Parlament

Sarah Luzia Hassel-Reusing 11.07.2010

Auf der Internetseite des rumänischen Parlaments findet sich die Rede des geschäftsführenden Direktors des IWF, Dominique Strauss-Kahn.
Sie zeigt einiges über die Ziele und die Denkungsweise des IWF. Sie zeigt auch, dass Urteile von Bundesverfassungsgerichten den IWF sehr wohl dazu bringen, Grenzen zu respektieren.

Das Urteil des lettischen Verfassungsgerichts vom 22.12.2009, welches Kürzungen bei den ärmeren Rentnern verboten hat,hat den IWF inzwischen so weit bewegt, dass er nun scheinbar von sich aus bereit ist, Mindestlöhne, Mindestrenten und Mindestleistungen für andere Bedürftige wie z. B. Arbeitslose dem Grunde nach zu akzeptieren.

Von einer Berücksichtigung des Vorrangs der nationalen Verfassungen und der universellen Menschen- rechte der Uno vor dem IWF-Recht ist der Währungsfonds aber noch um Lichtjahre entfernt.
Es ist auch noch keinerleit Bewusstsein des IWF dafür erkennbar, dass aus der Unteilbarkeit der Menschenrechte auch die Gleichrangigkeit der Menschenrechte der Schuldner mit denen der Gläubiger folgt, und dass die Bevorzugungen durchgängige Bevorzugung von Gläubigerinteressen durch den IWF daher menschenrechtlich verboten ist.





Das rumänische Verfassungsgericht ist noch einen Schritt weiter gegangen als das lettische und hat im Juni 2010 alle vom IWF für Rumänien geforderten Rentenkürzungen untersagt. Das mag auch daran liegen, dass in Rumänien die Durchschnittsrente nur umgerechnet 180,- € beträgt, und dass es im lettischen Gesundheitswesen hohe Zuzahlungen bei Krankenhausaufenthalten gibt.

Bzgl. Kürzungen im Gesundheitswesen scheint der IWF aber noch völlig schmerzfrei zu sein. Ausge- rechnet in Rumänien hat er nun auch noch Zuzahlungen bei der ambulanen med. Versorgung und einen drastischen Abbau der Krankenhäuser und Krankenhausbetten gefordert.
Es ist höchste Zeit für Verfassungsgerichtsurteile, welche nicht nur das wirtschaftliche Existenz- minimum vor dem IWF schützen, sondern auch die med. Versorgung.

Quellen: unser-politikblog und menschenrechts-IMF-Kritik


Unser Politikblog kommentiert IWF-Politik im Juni 2010


IWF greift nach Notstand – Unser Politikblog ruft zur Verfassungstreue auf


Bürgerrechtlerin legt Verfassungsbeschwerde ein gegen Spekulationsförderungsmechanismus und gegen Supranationalisierung von IWF-Auflagen



Quellen zum Beispiel Rumänien

BBC-Bericht zu Verfassungsgerichtsurteil aus Rumänien gegen Rentenkürzungen


Verfassungsgericht Rumänien

IWF-Chef diktiert Rumänien Bedingungen
Gewerkschaften in Rumänien entschärfen Streik im Öffentlichen Dienst
IWF diktiert Schock Programm für Rumänien